In Erinnerung an den Leder-Pionier Svein Skeid (1950-2020)

Mitte Dezember 2020 erreichte uns die traurige Nachricht, dass Svein Skeid im Alter von 70 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes in Oslo verstorben ist. Svein war ein in der Schwulen- und BDSM-Szene anerkannter Aktivist, der unermüdlich darum kämpfte, die mit Fetischismus und BDSM verbundenen psychiatrischen Diagnosen zu beseitigen.

BDSM (kurz für: Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism) basiert auf dem Gebrauch von körperlichen Empfindungen, um Vergnügen hervorzurufen. Der dominante Top fügt dem gehorsamen, devoten sub in gegenseitigem Einver­ständ­nis Schmerzen zu, um die Begierde und Verlangen beider Partner in einer sicheren Um­ge­bung zu erfüllen. Schmerzen sind eine Bewertung des Gehirns und müssen nicht immer schlecht oder gar unerwünscht sein, sondern können in Lust umgewandelt werden.

Die WHO ist Herausgeber der „Internationalen Klassifikation der Krankheiten“, das wichtigste, weltweit anerkannte Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Die aktuell gültige Fassung führt im Kapitel 5 psychische und Verhaltensstörungen mit dem Buchstaben F auf. Unter Code F65 finden sich die Störungen der Sexualpräferenz. Durch die Einordnung des erotischen Fetischismus (F65.0), Transvestitismus (F65.1) sowie BDSM (F65.5) unter dieser Schlüsselnummer werden diesen Vorlieben und Praktiken eine krankhafte Störung zugeschrieben. Vergleichbar ist dies mit der früheren Einordnung der Homosexualität als Krankheit, die therapiert werden musste.

Der Aktivist Svein Skeid hatte es sich zum Ziel gesetzt, diese drei sexuellen Vorlieben aus dem Diagnoseschlüssel entfernen zu lassen und dadurch die damit einhergehende Diskriminierung zu bekämpfen. In einem Interview sagte er einmal: „Ich ärgere mich über Ungerechtigkeit, Vorurteile und Dummheit, zu denen die Psychiatrie führt. Wenn sie behaupten wir seien gewalttätig, denken die Leute, dass es so ist.“ Mit der international tätigen, pansexuellen Projektgruppe namens ReviseF65 aus Norwegen, deren Vorsitzender Svein Skeid war, arbeitete er auf sexualpolitischer Ebene vor allem an der Aufklärung. Durch den unermüdlichen Einsatz von ReviseF65 wurden in Norwegen am 1. Februar 2010 die entsprechenden Diagnoseschlüssel aus dem Katalog entfernt.

Innerhalb von sechs Jahren wurden die Diagnosen in allen nordischen Ländern aufgehoben, nach dem Vorbild des norwegischen Modells und der Pionierarbeit von Revise F65. Damit stieg der Druck auf die WHO, diesem Beispiel zu folgen. Durch beharrliche Aufklärungsarbeit und Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger konnte Svein mit ReviseF65 im Juni 2018 den bisher größten Erfolg feiern: die WHO verkündete, die Diagnosen Fetischismus, fetischistischer Transvestitismus und BDSM aus der „Internationalen Klassifikation von Krankheiten“ in der neuen, grundlegend überarbeiteten Revision ICD-11 zu streichen. Denn einvernehmliche Sexualität hat nichts mit Psychiatrie zu tun. Diese Entscheidung des WHO ist eine außerordentlich wichtige Anerkennung unserer sexuellen Vielfalt.

Als bekennender Lederfetischist und praktizierender BDSM-Anhänger ging Svein über vier Jahrzehnte auf die Barrikaden, leistete bahnbrechende Pionierarbeit und erhielt Anerkennung durch Erfolge, Auszeichnungen und Ehrungen. Ich hatte das Glück, Svein persönlich kennenzulernen und erinnere mich an unseren Schriftwechsel 2018 auf BLUF, als er mir voller Stolz und Herzblut von seinen Aktivitäten berichtete. Es gibt wenige, die so große Spuren in der Geschichte der Leder-Szene hinterlassen haben wie er. Svein hatte spezielle Wünsche für seine Beerdigung: der schwarze Sarg war flankiert von der Regenbogen- und der Lederfahne und wurde von in schwarzes Leder gekleideten Männern zu Grab getragen. Danke für Deinen großartigen, vorbildlichen Einsatz für uns alle Svein. Wir werden Dich in Erinnerung bewahren.