Sacher-Masoch – Eros in Leder | Teil 1

Die berühmte Novelle „Venus im Pelz“ von Leopold von Sacher-Masoch wurde vor 150 Jahren veröffentlicht, handelt von fetischistischen Neigungen und ist sein stark vom eigenen Leben inspiriertes, bekanntestes und gleichzeitig umstrittenstes Werk. Ritter Leopold von Sacher-Masoch lebte von 1854 bis 1872 in Graz, wo er sich vom Dozenten für österreichische Geschichte an der Universität zum Verfasser von erotischen Erzählungen, in denen er sein eigenes, triebhaftes Schmerz- und Unterwerfungsverlangen künstlerisch festhielt, entwickelte. Wesentlich in seinen Geschichten sind Peitschen, Pelze, Homoerotik und Sklaverei sowie seine Vorliebe für das Grausame.

Leopold Ritter von Sacher-Masoch (1836-1895)

Seit Sacher-Masochs Tod 1895 ist „Venus im Pelz“ sein mit Abstand am häufigsten wieder aufgelegtes und übersetztes Buch, das mittlerweile als Klassiker der erotischen Literatur gilt. In „Venus im Pelz“ beschreibt er die extremen Gefühle, die Severin durch Wanda erfährt, der er sich als Sklave hingibt und die ihn in ihrer dominanten Rolle als Venus im Pelz an seine körperlichen und geistigen Grenzen treibt. Die Handlung beginnt damit, dass der Protagonist Severin von Kusiemski seine Erfahrungen einem Freund in Form eines Manuskripts zu lesen gibt. Auslöser ist ein Traum dieses Freundes und ein Gemälde in Severins Zimmer, das ihn in jungen Jahren in demütiger Haltung zu Füßen einer Venus im Pelz zeigt.

Ich habe die folgenden Auszüge aus Sacher-Masochs Novelle zu einer homoerotischen Erzählung umgeschrieben und auf die wesentlichen Tagebucheinträge gekürzt. Aus Wanda wird Iwan, aus Pelz wird Leder und somit aus der Venus im Pelz der Eros in Leder. Ansonsten ist der Text originalbelassen, um diesen Klassiker zusammenfassend zu erläutern:

»Freilich weiß ich, aber woher haben Sie diese große Vorliebe für Leder?« »Sie ist mir angeboren«, erwiderte ich, »ich zeigte sie schon als Kind. Übrigens übt Leder auf alle nervösen Naturen eine aufregende Wirkung, welche auf ebenso allgemeinen als natürlichen Gesetzen beruht. Es ist ein physischer Reiz, welcher wenigstens ebenso seltsam prickelnd ist, und dem sich niemand ganz entziehen kann.«

»Und so erweckt Ihnen jetzt Leder Ihre seltsamen Phantasien«, rief Iwan, und er begann zu gleicher Zeit sich mit seinem prächtigen Ledermantel kokett zu drapieren. »Nun, wie ist Ihnen jetzt zumute, fühlen Sie sich schon halb gerädert?« Seine grünen durchdringenden Augen ruhten mit einem seltsamen, höhnischen Behagen auf mir, als ich mich von Leidenschaften übermannt vor ihm niederwarf und die Arme um ihn schlang. »Ja – Sie haben in mir meine Lieblingsphantasie erweckt«, rief ich, »die lange genug geschlummert.« »Und diese wäre?« er legte die Hand auf meinen Nacken. Mich ergriff unter dieser großen warmen Hand, unter seinem Blick, der zärtlich forschend durch die halbgeschlossenen Lider auf mich fiel, eine süße Trunkenheit. »Der Sklave eines Mannes, eines schönen Mannes zu sein, den ich liebe, den ich anbete!« »Und der Sie dafür misshandelt!« unterbrach mich Iwan lachend. »Ja, der mich bindet und peitscht, der mir Fußtritte gibt, während er einem andern gehört.« »Und der, wenn Sie durch Eifersucht wahnsinnig gemacht, dem beglückten Nebenbuhler entgegentreten, in seinem Übermute so weit geht, Sie an denselben zu verschenken und seiner Rohheit preiszugeben. Warum nicht? Gefällt Ihnen das Schlußtableau weniger?« Ich sah Iwan erschreckt an. »Sie übertreffen meine Träume.«

Er nahm heute plötzlich Hut und Schal und ich musste ihn in den Bazar begleiten. Dort ließ er sich Peitschen zeigen, lange Peitschen an kurzem Stiel, wie man sie für Hunde hat. »Diese dürften genügen«, sprach der Verkäufer. »Nein, sie sind viel zu klein«, erwiderte Iwan mit einem Seitenblick auf mich, »ich brauche eine große –« »Für eine Bulldogge wohl?« meinte der Kaufmann. »Ja«, rief er, »in der Art, wie man sie in Russland hatte für widerspenstige Sklaven.« Er suchte und wählte endlich eine Peitsche, bei deren Anblick es mich etwas unheimlich beschlich.

»Gib mir die Peitsche.« Ich blickte im Zimmer umher. »Nein«, rief er, »bleib nur knien!« Er schritt zum Kamine, nahm die Peitsche vom Sims und ließ sie, mich mit einem Lächeln betrachtend, durch die Luft pfeifen, dann schürzte er den Ärmel seiner Lederjacke langsam auf. »Wunderbarer Mann!« rief ich. »Schweig, Sklave!« er blickte plötzlich finster, ja wild und hieb mich mit der Peitsche; im nächsten Augenblicke schlang er jedoch den Arm zärtlich um meinen Nacken und bückte sich mitleidig zu mir. »Habe ich dir weh getan?« fragte er halb verschämt, halb ängstlich. »Nein!« entgegnete ich, »und wenn es wäre, mir sind Schmerzen, die du mir bereitest, ein Genuss. Peitsche mich nur, wenn es dir ein Vergnügen macht.« »Aber es macht mir kein Vergnügen.« Wieder ergriff mich jene seltsame Trunkenheit. »Peitsche mich«, bat ich, »peitsche mich ohne Erbarmen.« Iwan schwang die Peitsche und traf mich zweimal. »Hast du jetzt genug?« »Nein.« »Im Ernste, nein?« »Peitsche mich, ich bitte dich, es ist mir ein Genuss.« »Ja, weil du gut weißt, dass es nicht Ernst ist«, erwiderte er, »dass ich nicht das Herz habe, dir weh zu tun. Mir widerstrebt das ganze rohe Spiel. Wäre ich wirklich der Mann, der seinen Sklaven peitscht, du würdest dich entsetzen.« »Nein, Iwan«, sprach ich, »ich liebe dich mehr als mich selbst, ich bin dir hingegeben auf Tod und Leben, du kannst im Ernste mit mir anfangen, was dir beliebt, ja, was dir nur dein Übermut eingibt.« »Severin!« »Tritt mich mit Füßen!« rief ich und warf mich, das Antlitz zur Erde, vor ihm nieder. »Ich hasse alles, was Komödie ist«, sprach Iwan ungeduldig. »Nun, so misshandle mich im Ernste.« Eine unheimliche Pause. »Severin, ich warne dich noch ein letztes Mal«, begann Iwan. »Wenn du mich liebst, so sei grausam gegen mich«, flehte ich, das Auge zu ihm erhoben. »Wenn ich dich liebe?« wiederholte Iwan. »Nun gut!« er trat zurück und betrachtete mich mit einem finsteren Lächeln. »So sei denn mein Sklave und fühle, was es heißt, in die Hände eines Mannes gegeben zu sein.« Und in demselben Augenblicke gab er mir einen Fußtritt. »Nun, wie behagt dir das, Sklave?« Dann schwang er die Peitsche. »Richte dich auf!« Ich wollte mich erheben. »Nicht so«, gebot er, »auf die Knie.« Ich gehorchte und er begann mich zu peitschen. Die Hiebe fielen rasch und kräftig auf meinen Rücken, meine Arme, ein jeder schnitt in mein Fleisch und brannte hier fort, aber die Schmerzen entzückten mich, denn sie kamen ja von ihm, den ich anbetete, für den ich jede Stunde bereit war, mein Leben zu lassen. Jetzt hielt er inne. »Ich fange an, Vergnügen daran zu finden«, sprach er, »für heute ist es genug, aber mich ergreift eine teuflische Neugier, zu sehen, wie weit deine Kraft reicht, eine grausame Lust, dich unter meiner Peitsche beben, sich krümmen zu sehen und endlich dein Stöhnen, dein Jammern zu hören und so fort, bis du um Gnade bittest und ich ohne Erbarmen fortpeitsche, bis dir die Sinne schwinden. Du hast gefährliche Elemente in meiner Natur geweckt. Nun aber steh’ auf.« Ich ergriff seine Hand, um sie an meine Lippen zu drücken. »Welche Frechheit.« Er stieß mich mit dem Fuße von sich. »Aus meinen Augen, Sklave!«

Das Wohnhaus von Leopold von Sacher-Masoch am Fuße des berühmten Grazer Schlossbergs

Nachdem ich die Nacht wie im Fieber in wirren Träumen gelegen, bin ich erwacht. Es dämmerte kaum. Was ist wahr von dem, was in meiner Erinnerung schwebt? Was habe ich erlebt und was nur geträumt? Gepeitscht bin ich worden, das ist gewiss, ich fühle noch jeden einzelnen Hieb, ich kann die roten, brennenden Streifen an meinem Leib zählen. Und er hat mich gepeitscht. Ja, jetzt weiß ich alles. Meine Phantasie ist Wahrheit geworden. Wie ist mir? Hat mich die Wirklichkeit meines Traumes enttäuscht? Nein, ich bin nur etwas müde, aber ihre Grausamkeit erfüllt mich mit Entzücken. Oh! wie ich ihn liebe, ihn anbete! Ach! dies alles drückt nicht im Entferntesten aus, was ich für ihn empfinde, wie ich mich ganz ihm hingegeben fühle. Welche Seligkeit, sein Sklave zu sein.

Ich kniete nieder und lehnte meine heiße Stirne an seine Knie. »Du fieberst, Severin«, sprach Iwan erregt, »und du liebst mich wirklich so unendlich?« Er schloss mich an seine Brust und bedeckte mich mit Küssen. »Willst du also?« begann er zögernd. »Ich schwöre dir hier, bei Gott und meiner Ehre, ich bin dein Sklave, wo und wann du willst, sobald du es befiehlst«, rief ich, meiner kaum mehr mächtig. »Und wenn ich dich beim Worte nehme?« rief Iwan. »Tu’ es.« »Es hat einen Reiz für mich«, sprach er hierauf, »der kaum seinesgleichen hat, einen Mann, der mich anbetet und den ich von ganzer Seele liebe, mir so ganz hingegeben, von meinem Willen, meiner Laune abhängig zu wissen, diesen Mann als Sklaven zu besitzen, während ich –« Er sah mich seltsam an. »Wenn ich recht frivol werde, so bist du schuld –« fuhr er fort – »ich glaube beinahe, du fürchtest dich jetzt schon vor mir, aber ich habe deinen Schwur.« »Und ich werde ihn halten.« »Dafür lass mich sorgen«, entgegnete er. »Jetzt finde ich Genuss darin, jetzt soll es bei Gott nicht lange mehr beim Phantasieren bleiben. Du wirst mein Sklave, und ich – ich werde versuchen, ›Eros in Leder‹ zu sein.«

Ich dachte diesen Mann endlich zu kennen, zu verstehen, und ich sehe nun, dass ich wieder von vorne anfangen kann. Mit welchem Widerwillen nahm er noch vor kurzem meine Phantasien auf und mit welchem Ernste betreibt er jetzt die Ausführung derselben. Er hat einen Vertrag entworfen, durch den ich mich bei Ehrenwort und Eid verbinde, sein Sklave zu sein, solange er es will.

Manchmal wird mir doch etwas unheimlich, mich so ganz, so bedingungslos in die Hand eines anderen Mannes zu geben. Wenn er meine Leidenschaft, seine Macht missbraucht? Nun dann erlebe ich, was seit Kindesbeinen meine Phantasie beschäftigte, mich stets mit süßem Grauen erfüllte. Törichte Besorgnis! Es ist ein mutwilliges Spiel, das er mit mir treibt, mehr nicht. Er liebt mich ja, und er ist so gut, eine noble Natur, jeder Treulosigkeit unfähig; aber es liegt dann in seiner Hand – er kann, wenn er will – welcher Reiz in diesem Zweifel, dieser Furcht.

»Ja, du musst Sklave sein, die Peitsche fühlen – denn ein Mann bist du nicht«, sprach er ruhig, und das war es, was mir so an das Herz griff, dass er nicht im Zorne, ja nicht einmal erregt, sondern mit voller Überlegung zu mir sprach. »Ich kenne dich jetzt, deine Hundenatur, die anbetet, wo sie mit Füßen getreten wird und umso mehr, je mehr sie misshandelt wird. Ich kenne dich jetzt, du aber sollst mich erst kennen lernen.« Er ging mit großen Schritten auf und ab, während ich vernichtet auf meinen Knien liegen blieb, das Haupt war mir herabgesunken, die Tränen rannen mir herab. »Komm zu mir«, herrschte mir Iwan zu, sich auf der Ottomane niederlassend. Ich folgte seinem Wink und setzte mich zu ihm. Er sah mich finster an, dann wurde sein Auge plötzlich, gleichsam von innen heraus erhellt, er zog mich lächelnd an seine Brust und begann mir die Tränen aus den Augen zu küssen.

»Das Wort gefällt mir«, sagte er hierauf, »du darfst mich immer Herr nennen, verstehst du? Morgen früh um 9 Uhr fahren wir hier fort. Bis zur Kreisstadt bist du mein Begleiter, mein Freund, von dem Augenblicke, wo wir in den Waggon steigen, – mein Sklave, mein Diener. Nun schließe das Fenster und öffne die Türe.« Nachdem ich getan, wie er geheißen, und er hereingetreten war, fragte er, die Brauen spöttisch zusammenziehend, »nun, wie gefall’ ich dir?« »Du –« »Wer hat dir das erlaubt«, er gab mir einen Hieb mit der Peitsche. »Sie sind wunderbar schön, Herr.« Iwan lächelte und setzte sich in meinen Lehnstuhl. »Knie hier nieder – hier neben meinem Sessel.« Ich gehorchte. »Küss’ mir die Hand.« Ich fasste seine große kalte Hand und küsste sie. »Und den Mund –« Ich schlang meine Arme in leidenschaftlicher Aufwallung um den schönen, grausamen Mann und bedeckte sein Antlitz, Mund und Büste mit glühenden Küssen, und er gab sie mir mit gleichem Feuer zurück – die Lider wie im Traum geschlossen – bis nach Mitternacht.

»Du sollst mich kennen lernen! Vor allem wirst du mir jetzt einmal im Ernste die Peitsche kosten, ohne dass du etwas verschuldet hast, damit du begreifst, was dich erwartet, wenn du dich ungeschickt, ungehorsam oder widerspenstig zeigst.« Er schürzte hierauf mit wilder Grazie den lederbesetzten Ärmel auf und hieb mich über den Rücken. Ich zuckte zusammen, die Peitsche schnitt wie ein Messer in mein Fleisch. »Nun, wie gefällt dir das?« rief er. Ich schwieg. »Wart’ nur, du sollst mir noch wie ein Hund wimmern unter der Peitsche«, drohte er und begann mich zugleich zu peitschen. Die Hiebe fielen rasch und dicht, mit entsetzlicher Gewalt auf meinen Rücken, meine Arme, meinen Nacken, ich biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Jetzt traf sie mich ins Gesicht, das warme Blut rann mir herab, er aber lachte und peitschte fort. »Jetzt erst verstehe ich dich«, rief er dazwischen, »es ist wirklich ein Genuss, einen Menschen so in seiner Gewalt zu haben und noch dazu einen Mann, der mich liebt – du liebst mich doch? – Nicht – Oh! ich zerfleische dich noch, so wächst mir bei jedem Hiebe das Vergnügen; nun krümme dich doch ein wenig, schreie, wimmere! Bei mir sollst du kein Erbarmen finden.« Endlich scheint er müde. Er wirft die Peitsche weg, streckt sich auf der Ottomane aus und klingelt.

Wird fortgesetzt…