Die berühmte Novelle „Venus im Pelz“ von Leopold von Sacher-Masoch wurde vor 150 Jahren veröffentlicht, handelt von fetischistischen Neigungen und ist sein stark vom eigenen Leben inspiriertes, bekanntestes und gleichzeitig umstrittenstes Werk. Heutzutage wird Sacher-Masoch als ein Pionier der neuen erotischen Literatur gesehen, denn er trat mit seinen Texten gegen Vorurteile auf und war einer der ersten, der über ein Tabuthema so offen geschrieben und damit wohl einen Nerv seiner Zeit getroffen hatte. Der Fachbegriff „Masochismus“ ist 1890 aus Leopold von Sacher-Masochs Nachnamen abgeleitet und geprägt worden durch Richard Freiherr von Krafft-Ebing. Dieser Psychiater und Begründer der Sexualwissenschaft lebte ab 1873 bis zu seinem Tod 1902 ebenfalls in Graz und kannte den Schriftsteller persönlich. Der unfreiwillige Namenspatron schätzte diese Ehre nicht, ganz im Gegenteil. Sacher-Masoch fühlte sich auf seine sexuellen Vorlieben reduziert, geriet in Verruf und litt zeitlebens unter diesem Stigma. Krafft-Ebing traf der Vorwurf, den Ruf eines bedeutenden Literaten unnötig zerstört zu haben.
Im Folgenden nun der zweite Teil der Auszüge aus Sacher-Masochs Novelle, die ich zu einer homoerotischen Erzählung umgeschrieben und auf die wesentlichen Tagebucheinträge gekürzt habe. Aus Wanda wird Iwan, aus Pelz wird Leder und somit aus der Venus im Pelz der Eros in Leder. Ansonsten sind auch die Auszüge des zweiten Teils originalbelassen, um diesen Klassiker zusammenfassend zu erläutern:
Da sprengt ein junger Mann auf schlankem wilden Rappen heran; wie er Iwan sieht, pariert er sein Pferd und lässt es im Schritte gehen – schon ist er ganz nahe – er hält und lässt ihn vorbei, und jetzt erblickt auch er ihn. Ihre Augen begegnen sich – und wie er an ihm vorbeijagt, kann er sich von der magischen Gewalt der seinen nicht losreißen und wendet den Kopf nach ihm. Mir steht das Herz still bei diesem halb staunenden, halb verzückten Blick, mit dem er ihn verschlingt, aber er verdient ihn. Er ist bei Gott ein schöner Mann. Nein, mehr, er ist ein Mann, wie ich noch nie einen lebendig gesehen habe. Im Belvedere steht er in Marmor gehauen, mit derselben schlanken und doch eisernen Muskulatur, demselben Antlitz, denselben wehenden Locken, und was ihn so eigentümlich schön macht, ist, dass er keinen Bart trägt. Wenn er minder feine Hüften hätte, könnte man ihn für ein verkleidetes Weib halten, und der seltsame Zug um den Mund, die Löwenlippe, welche die Zähne etwas sehen lässt und dem schönen Gesichte momentan etwas Grausames verleiht – Apollo, der den Marsyas schindet. Er trägt hohe schwarze Stiefel, eng anliegende Beinkleider von weißem Leder, einen kurzen Pelzrock, in der Art, wie ihn die italienischen Reiteroffiziere tragen, von schwarzem Tuche mit Astrachanbesatz und reicher Verschnürung, auf den schwarzen Locken ein rotes Fez. Jetzt verstehe ich den männlichen Eros und bewundere den Sokrates, der einem solchen Alcibiades gegenüber tugendhaft blieb.
So aufgeregt habe ich meinen Löwen noch nie gesehen. Seine Wangen loderten, als er vor der Treppe seiner Villa vom Wagen sprang, die Stufen hinaufeilte und mich mit einem gebieterischen Wink ihm folgen hieß. Mit großen Schritten in seinem Gemache auf und ab eilend, begann er mit einer Hast, die mich erschreckte. »Du wirst erfahren, wer der Mann in den Cascinen war, heute noch, sofort. – O welch ein Mann! Hast du ihn gesehen? Was sagst du? Sprich.« »Der Mann ist schön«, erwiderte ich dumpf. »Er ist so schön –« er hielt inne und stützte sich auf die Lehne eines Sessels – »dass es mir den Atem benommen hat.« »Ich begreife den Eindruck, den er dir gemacht hat«, antworte ich; meine Phantasie riss mich wieder im wilden Wirbel fort – »ich selbst war außer mir, und ich kann mir denken –« »Du kannst dir denken«, lachte er auf, »dass dieser Mann mein Geliebter ist, und dass er dich peitscht, und es dir ein Genuss ist, von ihm gepeitscht zu werden. Geh jetzt, geh.« Ehe es Abend war, hatte ich ihn ausgekundschaftet. »Wie nennt er sich?« fragte er mit unheimlicher Ruhe. »Alexis Papadopolis.« »Ein Grieche also.« Ich nickte.
»Wie handelst du an mir!« brach ich los, »wie nennst du das?« »Ich könnte dich züchtigen«, entgegnete er höhnisch, »aber ich ziehe vor, dir diesmal statt mit Peitschenhieben mit Gründen zu antworten. Du hast kein Recht, mich anzuklagen, war ich nicht jederzeit ehrlich gegen dich? Habe ich dich nicht mehr als einmal gewarnt? Habe ich dich nicht herzlich, ja leidenschaftlich geliebt und habe ich dir etwa verheimlicht, dass es gefährlich ist, sich mir hinzugeben, sich vor mir zu erniedrigen, dass ich beherrscht sein will? Du aber wolltest mein Spielzeug sein, mein Sklave! Du fandest den höchsten Genuss darin, den Fuß, die Peitsche eines übermütigen, grausamen Mannes zu fühlen. Was willst du also jetzt? In mir haben gefährliche Anlagen geschlummert, aber du erst hast sie geweckt; wenn ich jetzt Vergnügen daran finde, dich zu quälen, zu misshandeln, bist nur du schuld, du hast aus mir gemacht, was ich jetzt bin, und nun bist du noch unmännlich, schwach und elend genug, mich anzuklagen.« »Ja, ich bin schuldig«, sprach ich, »aber habe ich nicht gelitten dafür? Lass es jetzt genug sein, ende das grausame Spiel.«
»So warst du es, der mir die Selbstsucht, den Übermut, die Grausamkeit eingeimpft hat, und du sollst ihr erstes Opfer werden. Ich finde jetzt in der Tat Vergnügen daran, einen Menschen, der denkt und fühlt und will, wie ich, einen Mann, der an Geist und Körper stärker ist, wie ich, in meiner Gewalt zu haben, zu misshandeln, und ganz besonders einen Mann, der mich liebt. Liebst du mich noch?« »Bis zum Wahnsinn!« rief ich. »Umso besser«, erwiderte er, »umso mehr Genuss wirst du bei dem haben, was ich jetzt mit dir anfangen will.« »Was hast du nur?« fragte ich, »ich verstehe dich nicht, in deinen Augen blitzt es heute wirklich wie Grausamkeit und du bist so seltsam schön – so ganz ›Eros in Leder‹.« Iwan legte, ohne mir zu antworten, die Arme um meinen Nacken und küsste mich. Mich ergriff in diesem Augenblicke wieder der volle Fanatismus meiner Leidenschaft. »Nun, wo ist die Peitsche?« fragte ich. Iwan lachte und trat zwei Schritte zurück. »Du willst also durchaus gepeitscht werden?« rief er, indem er den Kopf übermütig in den Nacken warf. »Ja.« Auf einmal war Iwans Gesicht vollkommen verändert, wie vom Zorne entstellt, er schien mir einen Moment sogar hässlich.
»Also peitschen Sie ihn!« rief er laut. In demselben Augenblicke steckte der schöne Grieche seinen schwarzen Lockenkopf durch die Gardinen des Himmelbettes. Ich war anfangs sprachlos, starr. Die Situation war entsetzlich komisch, ich hätte selbst laut aufgelacht, wenn sie nicht zugleich so verzweifelt traurig, so schmachvoll für mich gewesen wäre. Das übertraf meine Phantasie. Es lief mir kalt über den Rücken, als mein Nebenbuhler heraustrat in seinen Reitstiefeln, seinem engen, weißen Beinkleid, seinem knappen Samtrock, und mein Blick auf seine athletischen Glieder fiel. »Sie sind in der Tat grausam«, sprach er, zu Iwan gekehrt. »Nur genusssüchtig«, entgegnete er mit wildem Humor, »der Genuss macht allein das Dasein wertvoll, wer genießt, der scheidet schwer vom Leben, wer leidet oder darbt, grüßt den Tod wie einen Freund; wer aber genießen will, muss das Leben heiter nehmen, im Sinne der Antike, er muss sich nicht scheuen, auf Kosten anderer zu schwelgen, er darf nie Erbarmen haben, er muss andere vor seinen Wagen, vor seinen Pflug spannen, wie Tiere; Menschen, die fühlen, die genießen möchten, wie er, zu seinem Sklaven machen, sie ausnutzen in seinem Dienste, zu seinen Freuden, ohne Reue; nicht fragen, ob ihnen auch wohl dabei geschieht, ob sie zugrunde gehen. Er muss immer vor Augen haben: wenn sie mich so in der Hand hätten, wie ich sie, täten sie mir dasselbe, und ich müsste mit meinem Schweiße, meinem Blute, meiner Seele ihre Genüsse bezahlen. So war die Welt der Alten, Genuss und Grausamkeit, Freiheit und Sklaverei gingen von jeher Hand in Hand; Menschen, welche gleich olympischen Göttern leben wollen, müssen Sklaven haben, welche sie in ihre Fischteiche werfen, und Gladiatoren, die sie während ihres üppigen Gastmahls kämpfen lassen und sich nichts daraus machen, wenn dabei etwas Blut auf sie spritzt.«
Seine Worte brachten mich vollends zu mir. »Binde mich los!« rief ich zornig. »Sind Sie nicht mein Sklave, mein Eigentum?« erwiderte Iwan, »soll ich Ihnen den Vertrag zeigen?« »Binde mich los!« drohte ich laut, »sonst –« ich riss an den Stricken. »Kann er sich losreißen?« fragte er, »denn er hat gedroht, mich zu töten.« »Seien Sie ruhig«, sprach der Grieche, meine Fesseln prüfend. »Ich rufe um Hilfe«, begann ich wieder. »Es hört Sie niemand«, entgegnete Iwan, »und niemand wird mich hindern, Ihre heiligsten Gefühle wieder zu missbrauchen und mit Ihnen ein frivoles Spiel zu treiben«, fuhr er fort, mit satanischem Hohne die Phrasen meines Briefes an sie wiederholend. »Finden Sie mich in diesem Augenblicke bloß grausam und unbarmherzig, oder bin ich im Begriffe, gemein zu werden? Was? Lieben Sie mich noch oder hassen und verachten Sie mich bereits? Hier ist die Peitsche« – er reichte sie dem Griechen, der sich mir rasch näherte. »Wagen Sie es nicht!« rief ich, vor Entrüstung bebend, »von Ihnen dulde ich nichts –« »Darf ich ihn wirklich peitschen?« fragte er. »Machen Sie mit ihm, was Sie wollen«, entgegnete Iwan. »Bestie!« stieß ich empört hervor. Der Grieche heftete seinen kalten Tigerblick auf mich und versuchte die Peitsche, seine Muskeln schwollen, während er ausholte und sie durch die Luft pfeifen ließ, und ich war gebunden wie Marsyas und musste sehen, wie sich Apollo anschickte, mich zu schinden.
»Nun sehen Sie zu«, rief der Grieche, »wie ich ihn dressieren werde.« Er zeigte die Zähne und sein Gesicht bekam jenen blutgierigen Ausdruck, der mich gleich das erste Mal an ihm erschreckt hatte. Und er begann mich zu peitschen – so unbarmherzig, so furchtbar, dass ich unter jedem Hiebe zusammenzuckte und vor Schmerz am ganzen Leibe zu zittern begann, ja die Tränen liefen mir über die Wangen, während Iwan auf der Ottomane lag, auf den Arm gestützt, mit grausamer Neugier zusah und sich vor Lachen wälzte. Das Gefühl, vor einem angebeteten Manne von dem glücklichen Nebenbuhler misshandelt zu werden, ist nicht zu beschreiben, ich verging vor Scham und Verzweiflung. Und das Schmachvollste war, dass ich in meiner jämmerlichen Lage, unter Apollos Peitsche und bei meinem Eros grausamem Lachen anfangs eine Art phantastischen, übersinnlichen Reiz empfand, aber Apollo peitschte mir die Poesie heraus, Hieb für Hieb, bis ich endlich in ohnmächtiger Wut die Zähne zusammenbiss und mich, meine wollüstige Phantasie, Mann und Liebe verfluchte. Ich sah jetzt auf einmal mit entsetzlicher Klarheit, wohin die blinde Leidenschaft, die Wollust, geführt hat. Mir war es, wie das Erwachen aus einem Traum. Schon floss mein Blut unter seiner Peitsche, ich krümmte mich wie ein Wurm, den man zertritt, aber er peitschte fort ohne Erbarmen und Iwan lachte fort ohne Erbarmen, während er die gepackten Koffer schloss, und lachte noch, als er an seinem Arme die Treppe hinab, in den Wagen stieg. Dann war es einen Augenblick stille. Ich lauschte atemlos. Jetzt fiel der Schlag zu, die Pferde zogen an – noch einige Zeit das Rollen des Wagens – dann war alles vorbei.
Einen Augenblick dachte ich daran, Rache zu nehmen, ihn zu töten, aber ich war ja durch den elenden Vertrag gebunden, mir blieb also nichts übrig, als mein Wort zu halten und meine Zähne zusammenzubeißen.
Jetzt haben wir nur die Wahl, Hammer oder Amboss zu sein, und ich war der Esel, aus mir den Sklaven eines Mannes zu machen, verstehst du? Daher die Moral der Geschichte: Wer sich peitschen lässt, verdient, gepeitscht zu werden. Mir sind die Hiebe, wie du siehst, sehr gut bekommen, der rosige, übersinnliche Nebel ist zerronnen und mir wird niemand mehr die heiligen Affen von Benares oder den Hahn des Plato für ein Ebenbild Gottes ausgeben.«
Erst als Wanda/Iwan Severin verrät und dem sadistischen griechischen Liebhaber zum Auspeitschen überlässt, besinnt er sich. Severin kehrt zurück auf das Gut des Vaters und in sein bisheriges Leben. Er sieht sich selbst als „geheilt“, da Sadomasochismus zur Zeit der Entstehung von „Venus im Pelz“ als Krankheit eingestuft war. Bei uns in Graz wird zwar im Café Erzherzog Johann die Sacher-Masoch-Torte verkauft (nicht zu verwechseln mit der Wiener Sacher-Torte) und das dazugehörige Hotel bietet seinen Gästen mitunter die Möglichkeit, im Wanda Sacher-Masoch-Zimmer zu übernachten. Leopold von Sacher-Masoch ist aber vielfach in Vergessenheit geraten, obwohl sein Name in Verbindung mit seiner sexuellen Veranlagung heutzutage jedem bekannt und ein Bestandteil des Begriffs BDSM ist.